In Aarau lagert ein Notizbuch mit Einträgen aus der Pariser Studienzeit des Wettinger Abtes Peter Schmid. Wer das Büchlein liest, sieht die frühen Eindrücke, Ambitionen und Fähigkeiten des späteren Klostervorstehers. von Nicolas Hänsli Als am 8. Mai 2025 über der sixtinischen Kapelle in Rom weisser Rauch aufstieg, brandete Jubel durch die versammelte Menge auf dem Petersplatz: «Habemus Papam» –«wir haben einen Papst». Ein neuer Papst war gewählt! Millionen Menschen weltweit fragten sich: Was ist von Kardinal Robert F. Prevost zu halten, der sich gerade den Papstnamen Leo XIV. gegeben hatte? Was haben Papst und Abt gemein? Hektisch wurden die Hintergründe seiner Biografie recherchiert: Einem Vorort von Chicago entstammend, studierte Prevost zunächst Mathematik und Philosophie, bevor er dem Augustinerorden beitrat und nach verschiedenen kirchlichen Ämtern in Peru und Rom 2023 von seinem Vorgänger Franziskus zum Kardinal ernannt worden war. Doch was hat dies alles mit dem Wettinger Abt Peter Schmid zu tun? Tatsächlich ähneln die Aufgaben des Papsts denjenigen eines Abts. Wie der Papst die gesamte katholische Kirche als Institution führt und die Gläubigen nach aussen repräsentiert, steht der Abt seinem Kloster und der dortigen Mönchsgemeinschaft, dem Konvent, vor. Auch haben beide, Papst Leo und Abt Peter Schmid, vor ihrem Amtsantritt ein interessantes Leben geführt. Dank eines in der Kantonsbibliothek Aarau lagernden Büchleins mit der Signatur MsWett 130 ist es möglich, diese Vorgeschichte des späteren Abtes zu untersuchen. Es ist ein Notizbuch mit Einträgen aus Peter Schmids Studienzeit in Paris zwischen 1579 und 1588. Aus dem Zugerland nach Wettingen Schmid entstammte einer bedeutenden Baarer Familie. Seine Verwandtschaft war angesehen. Es finden sich darin Landammänner, Gesandte, Vögte und Hauptleute, meist in den Diensten des Standes Zug. Andere Verwandte sollten hingegen eine kirchliche Laufbahn einschlagen, so auch der junge Peter Schmid. Doch mit der Zürcher Reformation war das nahegelegene Zisterzienserkloster Kappel am Albis, eine traditionelle Destination für angehende Zuger Kirchenmänner, aufgelöst worden. So wurde Peter nach Wettingen geschickt. Der spätere Abt begann als Klosterschüler. Mithilfe der Kontakte seines Vaters konnte Schmid darauf in Paris studieren, unter anderem an der renommierten Sorbonne. Während der acht Jahre seines Studiums führte er ein Büchlein mit sich, in das er seine Notizen eintrug. Ein wenig Paris in Aarau Als nach der Auflösung des Klosters Wettingen 1841 dessen Bibliothek in die Aargauer Kantonsbibliothek verfrachtet wurde, fand auch Schmids Notizbuch seinen Weg nach Aarau. Das handliche, ledergebundene Büchlein umfasst fast hundert Seiten, meist in lateinischer Sprache. Nur ein Teil der Texte hat Schmid selbst geschrieben. Im Nachhinein füllten andere Mönche leergelassene Seiten mit ihren Notizen aus. Doch was notierte sich Schmid über sein Leben in der damals einwohnerreichsten Stadt Westeuropas? Finden sich Hinweise auf seine Eindrücke, auf mögliche Ambitionen oder bereits sichtbare Fähigkeiten? Akribische Notizen im Büchlein Wer auf Details aus Schmids Privatleben hofft, wird enttäuscht. Das Schriftstück ist mehr Notiz- als Tagebuch. Dennoch wird beim Durchblättern des Büchleins deutlich, mit welchem Eifer und welcher Systematik Schmid seine Eindrücke aufzeichnete. Gleich seitenweise stellte er Sammlungen an Zitaten, Gebeten und Versen zusammen. Anregungen für diese Sammlungen erhielt er zu verschiedenen Gelegenheiten: Im Unterricht an der Sorbonne, bei Streifzügen durch die Stadt, vielleicht auch im persönlichen Gespräch mit anderen Studenten. Auch die Architektur hatte es ihm angetan: Inschriften wie Ausmasse mehrerer Kirchen und gar der Text eines Grabsteins finden sich im Notizbuch. Ein bestimmtes Kreuz in Paris hatte ihn wohl so beeindruckt, dass er im Büchlein davon eine Skizze anfertigte. Ebenso gewissenhaft legte sich der junge Schmid Rechenschaft über seine Finanzen ab. Ab Studienantritt 1579 notierte er seine Ausgaben – zunächst noch auf Deutsch, ab 1585 jedoch stets auf Lateinisch. Ein neuer Kurs im Kloster Als Abt stieg Peter Schmid schliesslich zu den bedeutendsten Klostervorstehern der gesamten Wettinger Klostergeschichte auf. Fast vierzig Jahre lang regierte er machtbewusst und gestaltungsfreudig. Nachdem sein kunstsinniger, aber glückloser Vorgänger Christoph Silberysen (1542–1608) das Kloster und dessen Finanzen in desolatem Zustand hinterlassen hatte, übernahm Schmid eine angeschlagene Institution. Mit der ihm eigenen Bestimmtheit führte Abt Peter das Kloster wieder auf Kurs: Schmid festigte die Mönchsgemeinschaft im Innern und stärkte die politische wie rechtliche Stellung des Klosters nach aussen. Er stabilisierte die angespannte Finanzlage, setzte unter den Mönchen wieder strenge Ordensdisziplin durch und veränderte durch seine zahlreichen Bauprojekte das Antlitz des Klosters nachhaltig. Schmids Abtswappen – jeweils klar erkennbar am Hammer – ziert bis heute manche Räume und Gebäude des Klosters Wettingen. Die frühen Ambitionen des späteren Abtes Im Rückblick scheinen die grossen Linien seiner Amtszeit im jungen Schmid bereits angelegt gewesen zu sein. Diesen Eindruck festigt sich bei der Untersuchung von Schmids Einträgen im Notizbuch: Seine systematisch erstellten Sammlungen an Versen, Zitaten und Gebeten zeigen Schmids Ambitionen. Sein Interesse an Architektur weist auf die spätere Baufreudigkeit des Abtes hin. Seine gewissenhafte Buchführung zeigt seine administrativen Fähigkeiten. Wer das Notizbuch liest, sieht, welche Eindrücke, Interessen, Ambitionen und Fähigkeiten jener junge Mann aus Paris zurück nach Wettingen brachte, der das Kloster wie kaum ein zweiter prägen sollte. Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Kolloquiums «Geschichte in der Praxis: kommunizieren und vermitteln» im Frühjahrssemester 2025 am Historischen Seminar der Universität Zürich. Der Autor, Nicolas Hänsli, studiert im Master Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Zürich, wobei er auch Austauschsemester an den Universitäten Genf und Nottingham (UK) absolviert hat. Schwerpunkte seines Studiums sind die Wirtschafts- und die Schweizer Geschichte. Kommentare sind geschlossen.
|
AuthorWrite something about yourself. No need to be fancy, just an overview. Archives
Juni 2025
Categories |