Neue Klostergeschichte Wettingen
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Musik für das Kloster

10/12/2024

 
Sie sind wohl die berühmtesten Wettinger Bücher: die drei Bände des Wettinger Graduale, die seit der Aufhebung des Zisterzienserklosters 1841 in der Kantonsbibliothek in Aarau aufbewahrt werden. Die Musikschriften blieben danach aber fast ein Jahrhundert lang unbeachtet. Und dies, obwohl sie ein Juwel der Buchmalerei darstellen.
von Ruth Wiederkehr
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Blick den aufgeschlagener Band 2 des Wettinger Graduale, einer Musikhandschrift. Es fällt sogleich die sorgfältige Ausarbeitung auf. Alle Bilder: Aarau, Kantonsbibliothek Aargau, WettFm 2.
Es muss Anfang der 1930er-Jahre gewesen sein, als der Staatsarchivar Hektor Ammann die drei Bände genauer anschaute und sie dem Badener Lokalhistoriker und Bezirksschulrektor Otto Mittler zeigte. Beide merkten rasch, dass es sich dabei um bedeutende Exemplare der gotischen Buchmalerei handelte. Im Jahr 1935 dann publizierte Mittler ein erstes Mal dazu. Und bald folgte die erste akribische Untersuchung: Marie Mollwo, Studentin an der Universität Bern, reichte mitten im Zweiten Weltkrieg 1943 ihre Doktorarbeit zum Wettinger Graduale ein, im Folgejahr veröffentlichte sie ein Buch über diese grosse Musikhandschrift. Ihre wichtige Erkenntnis: Das Wettinger Graduale ist gar nicht in Wettingen entstanden.
Kölner Meister malen
Wie kam sie zu diesem Schluss? Mittelalterliche Bücher sind nur sehr selten mit einem Schreibernamen, einem Datum oder Entstehungsort versehen. Deshalb bleibt Fachleuten nichts anderes übrig, als Texte, Schriftformen, Zeichnungen und die Malerei mit anderen Büchern zu vergleichen, zu denen mehr bekannt ist. Mollwo fand heraus, dass die drei Wettinger Handschriften in einer Kölner Werkstatt entstanden sind. Sie konnte die aufwändigen, detailreichen Bilder in einigen der Anfangsbuchstaben der Liedtexte dortigen Künstlern zuordnen – einem älteren und einem jüngeren Meister, die in der Zeit zwischen 1330 und 1335 am Mittelrhein gearbeitet haben. Vielleicht in einem klösterlichen Skriptorium, vielleicht in einer Werkstatt. Mollwo bemerkte auch: «Die Schrift der drei Gradualbände ist so gleichartig, dass sie beinahe von einem einzigen Schreiber herrühren könnte. Nur beim näheren Hinsehen erkennt man mehrere Hände.»
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Beim Gesang zur Epiphanie, dem 6. Januar, sind in der Initiale Maria mit dem Jesuskind und die Drei Könige zu sehen. Diese Stelle befindet sich im ersten von drei Bänden (fol. 49r).
Drei Bände genau geplant
Das Wettinger Graduale ist das Resultat detaillierter Planung. Der Beschreibstoff ist Pergament, also Tierhaut, vielleicht von Schafen. Wohl mehr als 150 solche Tiere brauchte es für die 666 Blatt. Vier bis fünf zugeschnittene Pergamentstreifen wurden jeweils ineinandergelegt, zu einzelnen Lagen gefaltet, beschrieben und mit Verzierungen versehen. Erst dann banden sie die Kunsthandwerker zusammen und fügten sie zu einem Buch zusammen – in diesem Fall drei Bände.
Der erste Band umfasst die Messgesänge der hohen Kirchfeste für das Winterhalbjahr von Weihnachten bis zum Palmsonntag. Der zweite Band enthält Melodien und Texte für die Feste im Sommer von Ostern über Pfingsten bis zu Fronleichnam. Im dritten Band sind die Gesänge für die grossen Heiligenfeste enthalten, vier Marienfeste (Lichtmess, Verkündigung, Himmelfahrt, Geburt) und Allerheiligen.
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Einige der Seitenränder enthalten lustvolle Verzierungen, die im Detail ausgearbeitet sind, hier ein Seitenrand im dritten der drei Bände (fol. 64v.).
In Wettingen gestrandet
Auch über die ursprünglichen Auftraggeber lässt sich nach gründlicher Analyse vermutlich sagen: Es waren Augustiner Eremiten. Auf den Blattverzierungen sind nämlich zweimal Mönche im entsprechenden klösterlichen Gewand zu sehen. In Band 3 gibt ein Gesangstext einen Hinweis darauf, dass der Kirchenlehrer Augustinus von Hippo ein wichtiger Heiliger war für diejenigen, die diese Musikhandschrift schliesslich im Gottesdienst brauchten. Wohl eine Gemeinschaft, die nach der Augustinerregel lebte. Denn das grosse Format lässt keinen Zweifel daran, dass die Handschrift für eine Ordensgemeinschaft gedacht war: Sie war so gross, dass sie im Zentrum des Mönchchors aufgestellt werden konnte, sodass Sänger gemeinsam von einer Distanz her hineinschauen konnten.
Warum aber landete diese augustinische Handschrift in Wettingen? Darüber lässt sich nur mutmassen. Vielleicht befanden sich die drei Bücher um 1500 in Zürich bei den Augustiner Eremiten in der heutigen Kirche beim Rennweg. Als in der Reformation 1524 alle Klöster in der Stadt aufgehoben wurden, waren diese Bücher wie viele Kunstwerke «übrig». Und vielleicht kamen sie dann, so wie auch anderes «Strandgut», nach Wettingen. Sie ergänzten die mittelalterliche Musikbibliothek – heute ist von ihr nicht mehr viel bekannt. Von einer Handschrift wissen wir aber sicher, dass sie in Wettingen Hergestellt wurde. Sie lagert heute in der Universitätsbibliothek Heidelberg.
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Ein Mönch singt, der andere Mönch spielt Orgel, beide tragen den Habit (das Kleid) von Augustiner Eremiten, einem nach der Augustinerregel lebenden Bettelorden. Dieser Orden entstand im 13. Jahrhundert aus der Armutsbewegung. Diese Randverzierung findet sich im zweiten der drei Bände (fol. 175v).
Weiterlesen...
  • Peter Hoegger: Die Initialbilder im «Wettinger Graduale» und ihre stilistischen Wurzeln. In: Badener Neujahrsblätter 70 (1995), S. 80–99. Online
  • Marie Mollwo: Das Wettinger Graduale. Eine geistliche Bilderfolge vom Meister des Kasseler Willehalmcodex und seinem Nachfolger. Bern 1944.
... und weiterschauen:
  • Digitalisat Wettinger Graduale in der Kantonsbibliothek Aargau, Band 1, WettFm 1
  • Digitalisat Wettinger Graduale in der Kantonsbibliothek Aargau, Band 2, WettFm 2
  • Digitalisat Wettinger Graduale in der Kantonsbibliothek Aargau, Band 3, WettFm 3
  • Digitalisat Antiphonar aus Wettingen in der Universitätsbibliothek Heidelberg, Cod. Sal. X,6

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Die neue Klostergeschichte Wettingen ist ein Projekt des Vereins Freunde des Klosters Wettingen und wird durch folgende Institutionen unterstützt:
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