Schon Seminardirektor Augustin Keller war um die Disziplin der jugendlichen «Zöglinge» besorgt. Trotzdem war der Schulalltag immer wieder durch Disziplinarfälle beeinträchtigt, welche auch die Erziehungsdirektion beschäftigten. von Hansjörg Frank 1925 fand eine mehrtägige Schulreise einer 2. Klasse des Wettinger Lehrerseminars ins Gotthardgebiet statt. Die Seminaristen sollten die Geografie der Schweiz kennenlernen. Allerdings waren die beiden Leiter dieser Mission gezwungen, das Vorhaben bereits nach dem ersten Tag abzubrechen. Auf Grund starken Regens kam die Klasse schon durchnässt auf dem Gotthardhospiz an. Die nassen Kleider vermochten bis zum Morgen nicht zu trocknen. Deshalb entschloss man sich zu einer Programmänderung, da an eine Besteigung des Monte Prosa witterungsbedingt nicht zu denken war. Es wurde beschlossen, stattdessen nach Airolo abzusteigen. Dort angekommen, war nur eine kleine Gruppe willens, einen Spaziergang nach Altanca zu machen. Der Rest der Klasse blieb etwa 5 Stunden bis zur Abfahrt des Zuges unbeaufsichtigt in Airolo zurück. Jugendlicher Übermut Die Jugendlichen «verzogen sich meist in Wirtschaften, tranken dort Chianti, schrieben. Ansichtskarten und jassten. Eine Gruppe geriet durch zu reichlichen Chianti-Genuss in die Stimmung, aus der heraus der Bubenstreich verübt wurde, von dem nun zu berichten ist.» Vier Zöglinge beschlossen nach reichlichem Alkoholgenuss, einem daheimgebliebenen Lehrer und dem Verwalter des Konvikts in Wettingen Postkarten zu schreiben. Unter den Verfassern war auch einer, der dem Lehrerkonvent «bereits als zweifelhafter, der ständigen Überwachung bedürftiger Schüler bekannt war. Er hat sich z.B. erst kürzlich den „Spass" geleistet, vom Brücklein beim Seminar auf ein Auto hinunterzuspucken.» Das Corpus Delicti In einem Dossier des Staatsarchivs Aargau mit umfangreicher Korrespondenz von Lehrerkonferenz und Erziehungsdirektion sind diese beiden Postkarten noch heute greifbar. In der Zeit der «Roaring Twenties» waren diese Karten Anlass genug, dass die Lehrerkonferenz bei der Erziehungsdirektion die Wegweisung, resp. die Androhung der Wegweisung der betroffenen Seminaristen beantragte mit der Begründung, dass «Leute dieses Schlages […] nicht dem Lehrerstande zugeführt werden [dürfen]». Die beschriftete Rückseite der Postkarten zeugt von einem nicht mehr nüchternen Zustand der Verfasser. Ausserdem wird Internatsverwalter Fritschi als «Nachtwächter» bezeichnet und im Text wird offensichtlich beklagt, dass durch ihn bei verschlossenen Türen Kontrollen in den «Buden» durchgeführt wurden, was aus heutiger Sicht als übergriffig zu beurteilen wäre. Pädagogische Praxis
Es ist hier nicht der Ort, die Richtigkeit der Entscheide der Lehrerkonferenz zu beurteilen. Interessant ist hingegen der Massstab, der jeweils angesetzt wurde. Für die Schulleitung waren oft weniger die objektiven «Vergehen» massgebend, sondern die Frage, ob ein solches Verhalten für einen angehenden Lehrer noch tragbar sei. Diese Haltung findet auch bei der Beurteilung der schulischen Leistungen Ausdruck. Immer wieder gaben die Aufnahmeverfahren ins Lehrerseminar Anlass zu Diskussionen. Aber auch hier waren die Softskills oft massgebender als die effektiv erbrachten schulischen Leistungen. So schreibt Seminardirektor Arthur Frey 1947 in einer Erinnerungsschrift: «Wenn die Leistungen nicht voll genügten, der Schüler aber durch seine Wesensart Anlagen für den Lehrerberuf verriet, so entschied man sich gerne für die Belassung in der Klasse.» Eigentlich war das Kloster Wettingen ideal gelegen. In der nahen Bäderstadt hätten die Mönche regelmässig kuren können. Darüber lässt sich aber wenig erfahren. Bekannter hingegen ist, dass Wettingen einen klostereigene Kurort im Zugerland hatte. von Ruth Wiederkehr Dass Mönche und Nonnen Thermalbäder genauso wie alle anderen Menschen genossen, ist seit dem Mittelalter gut überliefert. Neben Gebet und Arbeit waren sie nämlich auch der cura corporis, der Sorge um ihren Körper, verpflichtet. Das galt auch für das Kloster Wettingen: In den Statuten, die 1655 für die Zisterzienser in Süddeutschland und der Schweiz verabschiedet wurden, gab es eigens den Abschnitt de balneis, «von den Bädern». Sie definieren, wann ein Mönch eine Badekur machen darf: mit Erlaubnis des Abts zu gesundheitlichen Zwecken. Verwalter im Bad Ab dem 17. Jahrhundert betrieb Wettingen in Walterswil bei Baar ein eigenes Bad. Der Hof an der Baarburg verfügte über eine kalte mineralhaltige Quelle und war wohl in den 1620er-Jahren durch Abt Peter Schmid (1559–1633) an das Kloster gelangt. Eine Kaufurkunde ist nicht überliefert, doch ist bekannt, dass Mitte des 17. Jahrhunderts der Baarer Jakob Andermatt (1602–1680) für das Kloster Wettingen den Hof, die Kapelle und das Bad Walterswil verwaltete. Am 29. Juli 1651 schrieb er in sein Tagebuch, dass er nach der Messe zwei Stunden gebadet habe: «Got welli, das disi badenfart mir dienstlich sigi zuo sel und lib. Amen.» Er habe in der laufenden Saison – damit war der Sommer gemeint – «badet 329 ½ stund». Die vielen Badekuren könnten einen positiven Einfluss auf ihn gehabt haben: Er starb mit 78 Jahren, einem im 17. Jahrhundert sehr hohen Alter. Lob des Wassers In späteren Jahren waren jeweils Patres von Wettingen als Verwalter in Walterswil tätig. Den besten Beschrieb des Bads lieferte der Zürcher Arzt und Naturwissenschaftler Johann Jakob Scheuchzer (1672–1733) im Jahr 1706. Er widmete den Quellen an der Baarburg einen längeren Abschnitt in seinen Beschreibungen der Bäder des Alpenraums und lobte die Qualität des Wassers. Auch lässt sich von Scheuchzer erfahren, dass Personen aus den oberen Schichten aus Zug, Zürich, Luzern, aber auch Schaffhausen nach Walterswil kamen. Herrschaftssitz bis 1755 Ende des 17. Jahrhunderts hatte das Kloster Wettingen das Bad Walterswil ausbauen lassen. Der kleine Kurort bestand nun aus einer neuen Kapelle, einem dreistöckigen Herrschaftshaus mit Ziergarten, einem Badhaus, einem Stall für die Pferde und einem Bauernhaus. Hier liess es sich für mehrwöchige Sommerkuren mit stundenlangen Bädern tagsüber gut leben. In den 1750er-Jahren schliesslich gefiel es den Zugern nicht mehr, ein Kloster aus der Grafschaft Baden als Besitzer von Land an der Baarburg zu wissen. Sie forderten Walterswil zurück – und in langwierigen Diskussionen entstand schliesslich ein Tauschgeschäft. Ab 1755 war Walterswil nicht mehr Wettinger Boden. Weiterlesen: Ruth Wiederkehr, Philippe Bart, Alfred Borter, René Zihlmann: Ort der Heilung, Ort der Bildung. Die Geschichte von Walterswil bei Baar. Zug 2022.
|
AuthorWrite something about yourself. No need to be fancy, just an overview. Archives
Dezember 2024
Categories |